Wohin gehört Content Marketing und was ist es überhaupt?
Weißt du was das Wundervolle, Erstaunliche und Erschreckende an diesem Beitrag ist? In seinen Grundzügen ist er schon drei Jahre alt – und er hat immer noch Bestand. Er ist und war ein Beitrag zur Blogparade von Robert Weller und Andreas Quinkert, die eine „akademische“ Antwort auf die Fragestellung, was Content Marketing eigentlich ist, suchten.
Definitionsmöglichkeiten bieten sich viele. Mittlerweile macht ja (vorsicht Ironie) fast jeder Content Marketing. Mit dem Ergebnis, dass es oft keine messbaren Resultate gibt. Aber das ist Thema eines anderen Beitrags.
Heute – mit drei Jahren Abstand – will ich mir ansehen, ob Content Marketing 2018 etwas anderes ist, als damals. Ist es Teil der Public Relations, Teil des Marketings, ein eigenständiges Kommunikationskonzept, eine Metadisziplin? Und vor allem: Hat sich meine persönliche Meinung dazu bisher geändert?
Ja, dieser Beitrag ist eher theoretisch, aber lass dich dadurch nicht abschrecken! Ich lade dich ein, dir deine eigene Meinung zu bilden und die noch immer anhaltende Diskussion um den Begriff Content Marketing differenzierter zu betrachten.
Content Marketing: Strategie oder Metadisziplin?
In den tiefen meines Blogs findest du einen Beitrag, ebenfalls schon etwas in die Jahre gekommen, in dem ich Content Marketing als Kommunikationsstrategie definiere. Mein Definitionsversuch fühlte sich stimmig an, obwohl ich wusste, dass er noch nicht „fertig“ war. Etwas fehlte mir, nur konnte ich nicht genau sagen, was.
Zur ungefähr selben Zeit in Deutschland schrieb Andreas Quinkert an einem Gastbeitrag für den Blog von Robert Weller. Andreas verfasste einen tollen Beitrag, in dem er viele meiner Gedanken und Standpunkte zusammenfasste, fast so als hätten wir vorab darüber gesprochen. Er bot in seinem Beitrag auch eine Definition von Content Marketing (in enger gedanklicher Verbundenheit mit Mirko Lange), die mir auf der ersten Blick logisch, umfassend und passend erschien und der ich, ohne vorab gründlich darüber nachzudenken, zustimmte. Content Marketing sei eine Metadisziplin innerhalb der Corporate Communication, in der Disziplinen wie PR, Marketing, SEO und andere ihren Platz haben (sollten).
Im Grunde fand ich seinen Ansatz wirklich gut, aber – ich hatte noch einmal darüber nachgedacht – und musste ihm letztlich widersprechen. Content Marketing kann keine Metadisziplin sein. Und ich erkläre dir gerne warum.
Content Marketing als Metadisziplin? Eher nicht.
Was definiert eine Metadisziplin? Wie der Name schon sagt, steht diese über anderen Disziplinen, liegt also eine Hierarchiebene darüber. Metadisziplinen haben die Aufgabe das „Thema an sich“ zu beleuchten, es zu definieren, Regeln zu erkennen und sie niederzuschreiben und quasi „den Rahmen abzustecken“, innerhalb dessen die untergeordneten Disziplinen arbeiten.
In meinen Augen trifft das auf den Bereich des Content Marketing nicht zu. Erstens, ist es sicherlich den anderen Disziplinen nicht übergeordnet und zweitens weist es diesen anderen Disziplinen keinen Handlungsrahmen zu. PR, Marketing, SEO, Social Media… sie alle haben auch Aufgaben und Funktionen, die über jenen des Content Marketings hinausgehen.
Es gibt sogar noch einen dritten Punkt: Metadisziplinen sind (eher) statisch und beschreibend, ihnen fehlt der praktische Zugang, der Nutzen und konkrete, alltagsrelevante Resultate. Spätestens an diesem Punkt, stellt sich für mich die Frage, ob Content Marketing eine Metadisziplin sein kann und sollte, nicht mehr.
Was für eine Strategie spricht
Da Content Marketing eindeutig viel mit benachbarten Disziplinen zu tun hat, kann und will ich meine eigene Definition dahingehend ergänzen, dass ich jetzt von einer interdisziplinären Kommunikationsstrategie spreche. (Den Begriff der Strategie hat Christian Henner-Fehr in diesem Beitrag sehr gut zusammengefasst.)
Eine Strategie beinhaltet folgende drei wichtige Faktoren:
- Sie fordert aktives Handeln
- Sie dient dem Erreichen vorab festgelegter Ziele
- Sie bildet kein starres Gerüst, sondern beschreibt einen bestimmten Handlungsrahmen, der ein flexibles Vorgehen ermöglicht
Content Marketing als interdisziplinäre Strategie zu verstehen, ermöglicht uns bestimmte Bereiche aus benachbarten Disziplinen (PR, Marketing, SEO, Social Media) für unser Handeln zu nutzen und zielgerichtet zu kanalisieren. Das konkrete Vorgehen wird individuell und je nach Gegebenheiten ausformuliert.
Es gibt kein one-size-fits-all Content Marketing. Es handelt sich hierbei eher um ein Baukastensystem, eine umfangreiche Lego-Spielebox!
Es gibt kein one-size-fits-all Content Marketing. #contentmarketing Share on XWas hat Content Marketing mit Kommunikation zu tun?
Bleibt noch die Frage nach der „Kommunikation“. Warum ist für mich Content Marketing eine Kommunikationsstrategie?
Um mich gleich zu outen: Ich bin eine überzeugte Anhängerin des kommunikativen Konstruktivismus. Dieser entwickelte sich aus dem Sozialkonstruktivismus heraus und fokussiert die Bedeutung von Kommunikation beim Aufbau der menschlichen Wirklichkeit. (Wikipedia bietet hier einen kurzen aber prägnanten Einblick.)
Bei dieser Auffassung von Kommunikation, geht es nicht allein um den Wissenstransfer und den Austausch von Botschaften, sondern gleichzeitig um die Herstellung von Identität, Beziehungen und Gesellschaft. Genau darauf zielt auch das Content Marketing ab.
Kommunikation ist für „Konstruktivisten“ eine menschliche Praxis und passt insofern perfekt zu unserem Strategiebegriff, der aktives Handeln fordert. Konstruktivistische Kommunikation umfasst auch – und wird dadurch zusehends wieder ein spannendes Wissenschaftsfeld – digitale Kommunikation, die ebenfalls identitätsstiftend und beziehungsbildend wirkt.
Ohne jetzt zu tief in das Feld des kommunikativen Konstruktivismus einzutauchen, hoffe ich, dass die Nähe dieses wissenschaftlichen Ansatzes und seine Relevanz für die Verortung von Content Marketing klargeworden ist. Das größte „Problem“, das Content Marketing noch immer hat, ist wohl sein eigener Name. Er ist teilweise irreführend und greift oft zu kurz, womit gleichzeitig viel an Potenzial verloren geht – immer noch.
Content Marketing eine interdisziplinäre Kommunikationsstrategie
Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Content Marketing ist (für mich) eine interdisziplinäre Kommunikationsstrategie für Unternehmen/Organisationen/Marken, die im Sinne des kommunikativen Konstruktivismus nicht nur dem Wissenstransfer und Dialog zwischen den Dialogpartnern dient, sondern auch die Herstellung von Identität, Beziehungen und Gemeinschaft ermöglicht. Die kommunikative Praxis erfolgt zum Großteil, aber nicht ausschließlich, in Form von digitaler Kommunikation.
Content Marketing als interdisziplinäre Kommunikationsstrategie. #contentmarketing #strategie Share on XDie Ziele von Content Marketing können in zwei Richtungen gedacht werden, greifen aber im besten Fall ohnehin ineinander:
- Kommunikationsziele in Anlehnung an die PR
- Marketingziele mit dem Schwerpunkt Neukundengewinnung und Verkaufsförderung
Beide Zielkategorien sind wichtig und zahlen mittel- und langfristig auf die übergeordneten Unternehmensziele ein. Dieser Zusammenhang, ausformuliert in einer schlanken Content Marketing Strategie, sollte klar im Kommunikationskonzept des Unternehmens dargestellt sein.
Wie Content Marketing seine Ziele erreicht, werde ich in diesem Beitrag nicht ausführlich behandeln, aber in aller Kürze anreißen: Strategisches Content Marketing bedient sich bei der Zielerreichung
- unterschiedlicher Pull-Maßnahmen,
- die hilf- und lehrreiche, interessante, informierende, engagierende und teilweise amüsante Inhalte zur Verfügung stellen,
- die Anliegen, Fragen und Bedürfnisse der Dialogpartner aufgreifen und Lösungen anbieten.
Dadurch entsteht Vertrauen und Bindung seitens der Dialoggruppen, die mit dem Unternehmensinhalten interagieren und durch bestimmte Handlungen auf die gesteckten Content-Marketing-Ziele einzahlen.
Theorie trifft Praxis
Das ist der theoretische Rahmen, in dem ich meine Content-Marketing-Arbeit verorte. Vielleicht findest du diese theoretische Abhandlung total langweilig und irrelevant, aber das ist es nicht – nicht für die Praxis. Wenn ich von Content Marketing spreche, dann meine ich genau das. Wenn Menschen an mich herantreten und mit mir arbeiten wollen, dann ist es wichtig ihnen zu erklären, was ich unter diesem Begriff verstehe. So verhindere ich von Anfang an Missverständnisse und falsche Erwartungshaltungen. Das spart meinen potenziellen KundInnen und mir viel Zeit und kostbare Nerven.
Und ja, ich weiß, es gibt viele KollegeInnen, die diesen Ansatz komplett anders sehen. Und ich finde das gut so!
[grey_box]Was ist Content Marketing für dich? Deine ganz persönliche Sichtweise zu Content Marketing darfst und sollst du dir selbst bilden. Ich würde mich total freuen, wenn du sie im Kommentarfeld mit mir und den anderen teilst![/grey_box]
Robert Weller
Hi Ivana,
ein sehr lesenswerter Beitrag, vielen Dank für deine Beteiligung an der Blogparade! Die Argumentation, Content Marketing als Strategie zu bezeichnen, kann ich gut nachvollziehen. Und mit der Aussage „Content Marketing als interdisziplinäre Strategie zu verstehen, ermöglicht uns, bestimmte Bereiche aus benachbarten Disziplinen (PR, Marketing, SEO, Social Media,…) für unser Handeln zu nutzen und zielgerichtet zu kanalisieren“ schlägst du den Bogen sehr gut zu benachbarten Disziplinen – auf Augenhöhe, ohne die eine über die andere zu stellen. Eine gute Lösung!
Ich frage mich nur, ob die Content Strategie nicht auch noch eine Strategie in der Strategie ist. Ich denke wir sprechen hier nicht von absoluten Zielen, sondern relativen, die auf (diesmal tatsächlich übergeordnete) Unternehmensziele einzahlen. Oder? Mir fehlt zum Beispiel die Vertriebskomponente und die direkte Kommunikation (etwa per Mail), die unabhängig von automatisierten „Content-Mails“ geschieht.
Ivana
Lieber Robert,
ich freue mich, dass ich dich mit meiner Argumentation „abholen“ konnte. 🙂
Du hast aber vollkommen Recht: Das, was ich im Beitrag beschrieben habe ist die Kommunikationsstrategie auf gesamter Unternehmensebene mit Bezug auf die Unternehmensziele. Natürlich kann (und soll) man untergeordnete Konzepte und Teilstrategien daraus ableiten. Die ganze Maßnahmenpalette und Vertriebskomponente habe ich bewusst ausgespart – das hätte den Rahmen mit Sicherheit gesprengt. Ich könnte dazu (fast) schon ein ganzes Buch schreiben…
Ganz liebe Grüße!
Nadja Bungard
Liebe Ivana,
ich bin durch Zufall und jenseits der Blogparade auf Deinen Text gestoßen. Was mir hier gefällt: Du ordnest Content-Marketing einmal jenseits vom Verkaufsdenken ein. Das war mal nötig. Danke!
Schöne Grüße von
Nadja
Ivana
Liebe Nadja,
schön, dass dir mein Beitrag gefällt.
Ja, ich denke auch, dass es an der Zeit wird diese zu engstirnige Sichtweise zu durchbrechen und das ganze Potenzial von Content Marketing aufzuzeigen. Verkauf ist sicherlich nicht unwesentlich, aber es ist nur ein kleiner Teil einer großen Palette.
Liebe Grüße auch an dich.
Nadja Bungard
Liebe Ivana,
ich brauchte etwas länger zum Antworten…
Mir fiel ein, dass ich kürzlich das Buch „Lean Content Marketing“ rezensiert hatte. Darin heißt es, dass Unternehmen durch CM zu Medien werden. Wenn das so ist, nehmen Unternehmen mit gutem Content auch Einfluss auf die öffentliche Meinung. Damit agieren sie weit über das Verkaufsargument hinaus. Klingt vielleicht banal. Ich finde das jedoch sehr wichtig. Was denkst Du?
Herzliche Grüße von
Nadja
Ivana
Hallo, Nadja!
Unternehmen haben schon früher Einfluss auf die öffentliche Meinung ausgeübt (z.b. mittels Werbung, Presseaussendungen etc.), aber heute können sie das viel direkter, leichter und schneller. Dieses Potenzial zu nutzen, finde ich richtig und gut.
Inwieweit sich Unternehmen in Richtung Medienhäuser entwickeln, finde ich derzeit noch schwer einschätzbar. Medien auf der einen und Unternehmen auf der anderen Seite haben dann doch andere, unterschiedliche Zielsetzungen – den Gewinn jetzt einmal ausgenommen. 😉 Dazu kommt, dass beide sich im Bereich der Online-Kommunikation noch im Selbstfindungsprozess befinden. Ich lasse mir also bzgl. meiner Meinung noch etwas Beobachtungs- und Bedenkzeit.
Liebe Grüße
Sigrid Jo Gruner
Hallo Nadja,
dass Unternehmen zu einer Art von Medium werden können, zeigt z.B. Coca Cola. Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen alle Äußerungen, die publiziert werden, mehr oder weniger. Ich halte es für gefährlich, wenn Unternehmen meinen, sie könnten der Öffentlichkeit die Welt erklären. Content Marketing ist subjektiv, das ist auch gut so und soll so bleiben. Aber man darf ihm keinen anderen Anstrich geben. Die Meinung der Unternehmen ist und bleibt subjektiv gefärbt und zielfokussiert. Doch verschwimmen auch in den Medien leider immer mehr die Grenzen zwischen Fakt und Meinung. Wenn ich mir auf Twitter die Welt erklären lasse, dann ist diese bereits von der Wahrnehmung des Twitternden gefärbt. – Ein weites Feld. Die Digitalisierung, die jeden und jede zum Autor macht, der ohne Scheu in das All hinaus tutet, hat diese Grenzverschiebung angeschoben. Es gibt keine Instanz, die redigierend eingreifen könnte. – Je mehr sich die Medien aus der Verantwortung, objektiv zu informieren zurückziehen, desto mehr Bedeutung erhalten Unternehmensäußerungen.
Viele Grüße
Jo
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