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Gemeinschaft zwischen Kollaboration und Wettbewerb Gemeinschaft zwischen Kollaboration und Wettbewerb

Gemeinschaft zwischen Kollaboration und Wettbewerb

tl;dr: Kollaboration und Wettbewerb sind zwei natürliche, aufeinander bezogene Formen menschlichen Verhaltens. Wettbewerb ist dabei keinesfalls mit Konkurrenzdenken gleichzusetzen, dieses wurde uns lediglich von einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung  als “Standard” anerzogen. Der Erfolg unserer Art gründet auf Kooperation und Kollaboration, schließt Wettbewerb jedoch nicht komplett aus. Familiäre Strukturen und das Social Web bezeugen das, geraten jedoch zusehends unter Beschuss. Ein Appell zur Wahrung gemeinschaftlicher Werte!

Am letzten Dienstag war ich bei der Aufführung des Films “alphabet” von Erwin Wagenhofer mit anschließender Diskussionsrunde. Der Film war sehr bewegend und stimmte mich überaus nachdenklich – wenn du ihn bislang nicht gesehen hast, dann möchte ich ihn dir ans Herz legen – jedoch empfand ich die anschließende Diskussion noch um einiges interessanter.

Es kamen Fragen aus dem Publikum, die allesamt weitreichende gesellschaftliche Problemfelder aufzeigten, die einer Veränderung bedürfen. Ein besonderes Anliegen war den TeilnehmerInnen das Thema “Wettbewerb”. Auch im Film selbst wird dieser Begriff immer wieder erwähnt und es wird aufgezeigt, was für drastische negative Folgen Wettbewerbsdenken in unserer Gesellschaft verursacht. Dabei sei der Mensch überhaupt nicht auf Wettbewerb ausgelegt, sondern seine ganze Erfolgsgeschichte basiert auf Kooperation. Ideen, wie “survival of the fittest” wären überholt und absolut falsch.

Du erfährst in diesem Beitrag,

  • ob Wettbewerb oder Kollaboration der Natur des Menschen entspricht,
  • warum unserem Wettbewerbsverständnis ein Denkfehler zugrunde liegt und welcher das ist,
  • warum es wichtig ist mit der richtigen Haltung in Wettbewerb zu treten,
  • wie Kooperation und Wettbewerb zusammenspielen,
  • wie und wo Kollaboration als Gesellschaftsprinzip gelebt wird,
  • warum das Social Web ein solcher Kollaborationsraum ist und warum es als solcher verteidigt werden muss.

 

Wettbewerb oder Kooperation – Was ist die Natur des Menschen?

Die Aussage des Filmemachers (ein Ausdruck, den Herr Wagenhofer dem des Regisseurs vorzieht, da letzterer aus dem militärischen Vokabular abgeleitet wird), Wettbewerb entspräche nicht der Natur des Menschen, sorgte für eine heftige Debatte, da für viele Teilnehmenden. Angefangen beim Wettbewerb der Samenzelle um die Eizelle bis hin zum sportlichen Wettbewerb, sei dieser nicht aus unserer Gemeinschaft wegzudenken und keineswegs immer Grund allen Übels.

Als ich an diesem Abend durch die Wiener Straßen nach Hause spazierte, ließen mich diese Gedanken nicht mehr los, weil sie mich so an die Gemeinschaftsstrukturen des Social Web erinnerten, die ich unter anderem in diesem Beitrag bereits thematisiert habe. Gehört Wettbewerb wirklich zur Natur des Menschen oder wurde uns dieser nur von der kapitalistischen Wirtschaftsordnung als “normal” verkauft? Ist Wettbewerb böse und wenn ja, was heißt das für unsere analoge und digitale Gemeinschaft?

Wettbewerb als Denkfehler

Es stimmt, für das Social Web habe ich schon des öfteren konstatiert, dass es keinen Platz für Konkurrenzdenken gibt und dass diejenigen, die auf Kooperation setzen, die Nase vorn haben. Die Aussage von Herrn Wagenhofer schien also zu stimmen und doch, war ich selbst von ihr nicht ganz überzeugt. Schließlich ging mir ein Licht auf! Ich entdeckte meinen Denkfehler – und er trifft mit Sicherheit nicht nur auf mich zu.

Wettbewerb als Konkurrenz zu denken, ist ein Denkfehler. Klick um zu Tweeten

Wettbewerb ist nicht mit Konkurrenzdenken gleichzusetzen. Sowohl Wettbewerb als auch Kooperation sind im Rahmen der Natur vorgesehen, jedoch nicht im gleichen Ausmaß und nicht zum gleichen Zweck.

Die Haltung ist entscheidend

Was meine ich damit? Erwin Wagenhofer meinte nach der Filmpräsentation, dass es in diesem Film nicht um Bildung geht, sondern um Haltung. Genau diese Klarstellung half mir beim Lösen des oben beschriebenen Dilemmas. Es macht nämlich einen entscheidenden Unterschied, mit welcher Haltung du in einen Wettbewerb einsteigst.

Die Haltung des Systems

Damit schwingt bereits eine wesentliche Erkenntnis zur systemischen Haltung mit: Das Systems muss dir immer die Wahl geben, ob du an einem Wettbewerb teilnehmen willst oder nicht! Die Mehrheit jener Wettbewerbe, die uns der Kapitalismus auferlegt, können wir weder wählen noch ablehnen.

Um beim Beispiel Bildung zu bleiben: In meiner Schulzeit wurde mir (und auch meinen Eltern) nicht die Frage gestellt, ob ich nach Schulnotensystem, das Vergleichbarkeit schafft und somit einen konkurrenzorientierten Wettbewerb verursacht, bewertet werden will – schon gar nicht, ob ich überhaupt bewertet werden will. Es gab und gibt hier keine Wahl!

Beim Sport hingegen kannst du frei wählen, ob du an einem Wettbewerb teilnehmen willst oder nicht. Zumindest in seiner primären Form, wenn du weder von Eltern (indoktriniertes Konkurrenzdenken?) oder von Sponsoren (Geld!) dazu gewzungen wirst.

Die persönliche Haltung

Die zweite Erkenntnis bezieht sich auf die persönliche Haltung, mit der wir in einen Wettbewerb ziehen: Wettbewerb kann als Konkurrenzkampf zwischen zwei oder mehreren Personen (Gruppen, Individuen, Nationen, Gemeinschaften) gesehen werden oder man sieht ihn als Versuch eine bereits bestehende Errungenschaft der Gemeinschaft darzustellen bzw. den Versuch eine solche Errungenschaft so schnell wie möglich herzustellen.

Nehmen wir das Beispiel eines sportlichen Wettbewerbs: Wenn sich die zehn besten Läufer einer Gemeinschaft freiwillig(!) zusammenfinden, um zu sehen, welcher von ihnen der schnellste ist, dann wollen natürlich alle gewinnen. Als Beweggrund dahinter sollte jedoch nicht ein Preisgeld (als kapitalistische Einmischung und/oder Auslegung des Sports) darstellen, sondern der Wunsch zur persönlichen Bestleistung. Der Sieger ist das Erfolgssymbol der gesamten Gemeinschaft.

Ein anderes Beispiel wären Wettbewerbe, die nach einer effizienten und effektiven Lösung eines akuten Problems suchen. Auch hier sollte der Beweggrund des Wettbewerbs nicht das Geld sein (schon wieder diese Einmischung aber du siehst sehr gut, wie tief sich dieses Gedankengut in uns Menschen verankert hat), sondern die Weiterentwicklung und das Wohl der gesamten Gemeinschaft. Wer findet einen guten Weg, um Feuer zu machen, Lebensmittel länger haltbar zu machen, das Volumen eines Körpers zu berechnen oder unfruchtbare Böden wiederzubeleben? All das sind Wettbewerbe aufgrund von begrenzter natürlicher Ressourcen – allen voran der Lebenszeit! Das primäre Ziel ist nicht Gewinn, es ist gemeinschaftlicher Fortschritt und allgemeiner Wohlstand.

Zwischenresümee

Unsere Haltung entscheidet darüber, ob wir einen Wettbewerb als Konkurrenzkampf erleben oder als gemeinschaftliches Wetteifern wahrnehmen. Diese Wahl der Haltung bezieht sich auch auf das Systeme denn jenes des Kapitalismus ist eben nicht ein von Natur aus gegebenes, sondern eines, das wir uns selbst auferlegt haben und das wir auf die selbe Art und Weise wieder verändern können.

„Die Verkürzung des Lebens auf die Ökonomie ist eine der schlimmsten Entwicklungen unserer heutigen Zeit.“ (Thomas Sattelberger)

Das Zusammenspiel von Kollaboration und Wettbewerb

Eigentlich wundert es uns nicht. Das Zusammenspiel von Gegensätzen ist ein typisches Phänomen des Lebens, nicht wahr? Tag und Nacht, heiß und kalt, jung und alt… so weit, so verständlich. Wenn ich mir die menschliche Geschichte ansehe und auch die Beispiele aus dem Film als Grundlage für meine Überlegungen nehme, dann kann ich Folgendes festhalten: Das Fundament der menschlichen Entwicklung liegt in der Kooperation. Es ist die Konstante, die den Erfolg unserer Art erst möglich gemacht hat (auch wenn uns unsere kriegerische Geschichte einen anderen Eindruck verleiht).

Das Fundament erfolgreicher Entwicklung ist Kooperation. Klick um zu Tweeten

Der Wettbewerb zeigt sich für mich eher als punktuelles Ereignis, das einen Bruch, besser gesagt einen Sprung, in der Entwicklung darstellt. Aus dem Wettbewerb, der in der Natur nicht negativ konnotiert wird, entspringt eine neue, bessere Lösung des bisher Üblichen – zum Wohl der gesamten Gemeinschaft.

Du kannst mir gerne widersprechen, wenn du anderer Meinungs bist. Ich freue mich auf jeden Fall über deinen Input, jedoch schaut so mein derzeitiger Standpunkt aus.

Kollaboration als gesellschaftliches Prinzip?

Wenn ich mir die heutige Gesellschaft ansehe, dann stelle ich fest, dass sich dieses “natürliche Prinzip von Wettbewerb und Kollaboration” nicht nur ins Gegenteil verkehrt hat, also der Wettbewerb die Konstante ist und Kollaboration das punktuelle Ereignis, sondern auch, dass Wettbewerb innerhalb kapitalistischer Gesellschaften grundlegend als Konkurrenzkampf aufgefasst wird.

Um die Worte eines Protagonisten aus dem Film zu nutzen:

„Für mich gibt es zwei Konzepte: Das Konzept der Angst und das Konzept der Liebe. Und wenn wir bis jetzt mit dem Konzept der Angst gelebt haben, wird es Zeit, dieses zu verlassen.“ (Pablo Pineda Ferrer)

Ich formuliere das ganz bewusst so überspitzt, da ich weiß, dass es auch anders geht. Woher? Es gab und gibt tatsächlich Kulturen, die dieses Prinzip (der Liebe bzw. Kooperation) leb(t)en – und zwar erfolgreich. Die Frage, die sich mir nun stellt, ist, warum es sich nicht halten konnte, sondern einer reinen Konkurrenzkultur gewichen ist. Dass dieses Prinzip jedoch auch heute noch gelebt werden kann, zeigt sich für mich auf zwei Ebenen.

Erstens innerhalb der Familie: Auch innerhalb von Familien gibt es Wettbewerb und Kollaboration, abwechselnd und idealerweise in der Form, dass die Zusammenarbeit die Konstante bildet und der Wettbewerb das punktuelle Ereignis. Nur so kann eine glückliche und für alle nutzbringende Gemeinschaft bestehen. Ich denke, hier kannst du mir zustimmen.

Der zweite Ort “meiner naiven Hoffnung” ist das Social Web. Ich wage es schon fast zu behaupten, dass es die “bessere” Form unserer Gesellschaft ist, obwohl auch hier immer wieder die negativistischen Werte unserer analogen Gesellschaftsordnung auftauchen. Trotzdem, das Social Web zeigt dieselbe Struktur von Wettbewerb und Kollaboration, die die Natur uns vorgegeben hat.

Kollaboration als Gesellschaftsprinzip ist lebbar. Das Social Web ist der Beweis! Klick um zu Tweeten

Das Social Web als Ort der Kollaboration

Der Erfolg des Internets und seine Weiterentwicklung zum Social Web fußen auf Kollaboration und Open Source, auf dem Zur-Verfügung-Stellen von Wissen und dem gemeinsamen Arbeiten und Weiterentwickeln der gemeinschaftlichen Infrastruktur. Der soziale Charakter des Social Web ist klar, aber gleichzeitig ist er empfindlich gegenüber konkurrenzorientiertem Wettbewerbsdenken, der es zusehends lähmt und zu verändern versucht.

Verstehe meine Worte als klaren Appell! Das Social Web darf nicht zum konkurrenzorientierten Wettbewerbsort werden. Du, ich, wir müssen aktiv dagegen ankämpfen! Meine Angst ist nicht unbegründet, denn Versuche wie die Abschaffung der Netzneutralität machen mich hellhörig und zeigen ganz klar, wohin die Reise hingehen könnte, wenn wir uns nicht gegen diese Einmischung “von außen” wehren.

Ein Appell zur Wahrung unserer digitalen Werte! Klick um zu Tweeten

Im Social Web gibt es keinen Platz für gewinngetriebenes Konkurrenzdenken, wir sind ein virtueller Raum, in dem Kooperation gelebt wird – zur erfolgreichen Weiterentwicklung der gesamten Gemeinschaft.

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