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aktives Zuhören in der Unternehmenskommunikation aktives Zuhören in der Unternehmenskommunikation

Der Wert des aktiven Zuhörens in der Unternehmenskommunikation

Seit dem 20. Jahrhundert findet eine permanente Beschleunigung der kommunikativen Prozesse statt. Heute vergeht dank dem Social Web kein Augenblick mehr, in dem nicht kommuniziert wird. Selbst räumlich weit entfernte Ereignisse nehmen in Sekunden Einfluss auf uns, unsere Gesellschaft, unsere Börsenmärkte und werden wiederum in Echtzeit online weitergegeben.

Für jeden von uns stellt das eine große Herausforderung dar – FOMO ist ein ganz typisches Symptom unserer Zeit. Der Druck ständig Informationen aufzunehmen, darauf zu reagieren und selbst Informationen in die Welt zu setzen ist riesig. Die Rolle des Zuhörers wird hingegen immer weiter unterschätzt – zumindest macht es für mich diesen Anschein. Dabei ist aktives Zuhören heute wichtiger denn je. Es ist der Schlüssel für gelungene Kommunikation, egal in welchem Kontext.

In meinem Beitrag möchte ich daher den Wert des aktiven Zuhörens in der Unternehmenskommunikation reflektieren. Du erfährst in diesem Beitrag

  • dass Zuhören kein passives Geschehen ist,
  • was aktives Zuhören wirklich leisten kann,
  • warum aktives Zuhören nicht digitalisierbar ist,
  • warum Big Data und nacktes Monitoring kritische Kunden nach sich ziehen und
  • dass aktives Zuhören auch aktives Handeln fordert.

Zuhören ist mehr als nur Passivität

Das Konzept des Zuhörens wird von vielen Kommunikationsverantwortlichen sowie MarketerInnen nur unzureichend beachtet. In einer Welt, in der gleichzeitig Milliarden Unterhaltungen stattfinden, fokussiert man sich stattdessen darauf, wie man aktiv die Kommunikation in die gewünschten Bahnen lenken kann. Mittels Storytelling soll eine Botschaft geformt werden, die die jeweilige Marke positiv im Gedächtnis der Kunden verankert. Ob der Kunde das überhaupt will bzw. welchen Aspekt die Kundin am Unternehmens wirklich schätzt, wird selten hinterfragt.

Für die Zuhörer bleibt bei dieser Kommunikationsstrategie kein Platz, denn wer zuhört, verzichtet zunächst auf die Möglichkeit selbst Themen zu setzen. Den Zuhörenden wird aus diesem Grund oftmals Passivität unterstellt. Dabei verkennen die KritikerInnen jedoch eine große Chance, die sich für ein Unternehmen bietet, das seinen KundInnenen aktiv zuhört.

Die Macht des aktiven Zuhörens

Aktives Zuhören ist heute in vielen (ich würde sogar behaupten in allen) Berufsfeldern essentiell, wenn man eine Dienstleistung bereitstellen möchte. Es kann sogar Menschenleben retten; zum Beispiel in der Krankenpflege, wo es darauf ankommt, dass man PatientInnen wirklich zuhört. Nicht nur die Krankheit selbst kann durch aktives Zuhören schneller und genauer diagnostiziert werden, auch in der Nachbehandlung spielt aktives Zuhören eine lebensrettende Rolle [vgl. dazu: Thomas, Sandra; Pollio H. (2002).Listening to Patients: A Phenomenological Approach to Nursing Research and Practice. New York: Springer Publishing Company].Durch das Zuhören erfährt man, wie sich PatientInnen fühlen, welche Auswirkungen verschiedene Behandlungsmethoden haben und erhält stetig einen Input, der zur Verbesserung der angewandten Krankenpflege beiträgt.

Der Beitrag, den aktives Zuhören leistet, messen manche KommunikationswissenschaftlerInnen in einer zunehmend dysfunktionalen Welt, die durch ökonomische Fragilität, politische Instabilität und mediale Kakophonie geprägt ist, größte Bedeutung zu [vgl. dazu: Wolvin, Andrew (2010). Listening and Human Communication in the 21st Century; Perspectives on Listening in the 21st Century. Oxford: Wiley-Blackwell]. Ich bin zwar keine Wissenschaftlerin, aber ich kann dieser Interpretation nur zustimmen. Ich sehe es täglich bei meinen Kindern oder auch im alltäglichen Gespräch mit Kolleginnen und Freunden. Wer zuhört hat echt die Nase vorn! 😉

Im Sinne der kognitiven Psychologie wird Zuhören als ein Akt der Informationsbündelung beschrieben. Wichtige Informationen werden beim Zuhören selektiert, hierarchisiert und zu neuem Wissen zusammengesetzt. Bloß weil man auf einen eigenen Redebeitrag verzichtet, ist man deshalb längst nicht passiv. Zuhören ist ein intentionaler Prozess, der Aufmerksamkeit und Energie kostet. Die erhaltenen Informationen werden beim aktiven Zuhören neu zusammengesetzt und sinnvoll verarbeitet [vgl. dazu: Wolvin, Andrew (2010). Listening and Human Communication in the 21st Century; Margarete Imhof: What is Going on in the Mind of a Listener? The Cognitive Psychology of Listening.].

Zuhören ist kein passiver Akt, sondern eine aktive Anteilname am Dialog. Share on X

So, nun aber genug der wissenschaftlichen Theorie, obwohl ich sie an dieser Stelle wieder sehr spannend finde. Kommen wir zurück in unsere digitale Realität.

Aktives Zuhören ist nicht digitalisierbar

Oftmals wird in der digitalen Unternehmenskommunikation menschliches, aktives Zuhören mit digitalisiertem Monitoring gleichgesetzt. Das eine hat sicherlich mit dem anderen zu tun, aber identisch sind sie nicht. Mit großen Ambitionen stellte Microsoft vor einigen Monaten den eigenen Twitterbot Tay vor. Tay sollte einerseits aktiv an der Kommunikation der Millenials teilhaben, andererseits hieß es seitens Microsoft, dass die anonymisierten Daten auch auf folgende Weise verwendet würden:

We also may use the data to communicate with you, for example, informing you about your account, security updates and product information. And we use data to help make the ads we show you more relevant to you. However, we do not use what you say in email, chat, video calls or voice mail, or your documents, photos or other personal files to target ads to you. (Quelle: inverse.com)

Doch das Experiment scheiterte. Es dauerte nur 24 Stunden, ehe Tay rassistische und sexistische Ressentiments bediente. Microsoft sah sich daraufhin gezwungen, dem eigenen Twitterbot erst einmal ein Sprechverbot zu erteilen. Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen?

Die Software-Ingenieure von Microsoft bauten ein A.I.-System, das öffentlich verfügbare Daten sammelt und Bedeutungen herausfiltert. Als Ergebnis imitierte Tay die eingehenden Nachrichten und passte sich an die Kommunikation der anderen Sprecher an. Der Chatbot konnte jedoch über das Gesagte nicht reflektieren, sondern fügte sich dem kommunikativen Trend, indem es diesen einfach kopierte.

Aktive ZuhörerInnen verzichten jedoch bei der Unterhaltung nicht auf ihre Werte. Sie beziehen Erfahrungen mit ein, vergleichen diese Erfahrung mit dem Besprochenen und ziehen daraus ein Urteil. Künstliche Intelligenz, die sich alleine auf verfügbare Daten verlässt, besitzt bislang noch keine Selbstreflexion. Sie imitiert nur das Vorhandene und kann daher nichts Neues schaffen. Auch Monitoring gibt (zum Teil) nur Inhalte wieder, bewerten und interpretieren kann es die Ergebnisse jedoch nicht.

Big Data, Smart Data und der kritische Kunde

Für Big Data stellt das ein ähnliches Problem dar. Big Data fasst viele Stränge zusammen, baut eine enorme Masse an Daten auf, verpasst aber dennoch entscheidende Trends. Eine Studie der Universität St. Gallen kommt daher zu dem Ergebnis, dass Big Data keine disruptiven Technologien erkennen kann. Unternehmen, die sich alleine auf Daten verlassen, verpassen den Sprung zur nächsten umwälzenden Innovation – sie monitoren, aber verstehen nicht.

Aus der Masse an Informationen und Daten soll so ein homogenes Bild über den Kunden bzw. die Kundin entstehen. Auf Kundenseite sieht man dieser Entwicklung zunehmend mit Misstrauen entgegen, was auch ein Grund dafür war, mich selbst mit dem Thema näher zu beschäftigen. Es stellt sich für Kunden immer häufiger die Frage, ob sie bei einem Unternehmen kaufen möchten, das sie regelrecht ausspioniert.

Sehr kritisch betrachten daher viele KundInnenen das Retargeting, das ihnen immerzu den gleichen Werbebanner vorhält, bloß weil sie zuvor einmal nach einem bestimmten Suchbegriff gegoogelt haben. Es entsteht zurecht Misstrauen zu Marken, die sich anscheinend gläserne KundInnen wünschen. Ich bin der Überzeugung, dass sich Unternehmen mit dieser Marketingstrategie über lange Sicht keinen Gefallen tun.

Datensammlung und Monitoring sind kein Ersatz für aktives Zuhören. Share on X

Der Dialoggruppe aktiv zuhören

Wenn ich auf das Beispiel in der Krankenpflege denke, dann wird dort das Zuhören einerseits als eine Beziehung zwischen PatientIn und Arzt gesehen und andererseits begegnen sich idealerweise beide auf Augenhöhe. Der Patient leistet einen wertvollen Beitrag und wird als PartnerIn wahrgenommen.

Aktives Zuhören bedeutet, dass man auf die Vorschläge und die Kritik der KundInnen und Dialoggruppe reagiert, dass man mehr über die Wünsche  und Bedürfnisse erfährt und diesen mit entsprechenden Entwicklungen entgegenkommt. Die Marke FIAT konnte auf diese Weise nach jahrelanger Abstinenz am amerikanischen Markt neue Anteile erobern. Mit dem FIAT 500 schuf man ein kompaktes Auto, das sich perfekt für die Stadt eignet und im Verbrauch ökonomisch ist.

Der Zuhörer verzichtet daher nur auf den ersten Blick. Er oder sie schweigt einen Augenblick lang, um dem Gegenüber zuzuhören. Doch das Zuhören ist kein passiver, sondern ein hochkomplexer, aktiver Akt, bei dem Informationen neu angeordnet, bewertet und zusammengefügt werden und dadurch zu neuen Erkenntnissen führen. Erst dadurch kann Weiterentwicklung, Innovation und Disruption im Sinne der Zielgruppe passieren. Genau in diesem Moment heißt es aber sich von der Rolle des Zuhörers bzw. der Zuhörerin zu trennen und das Schweigen zu brechen. Jetzt ist aktive Dialoggestaltung gefragt!

Datenschutz, Unternehmenskommunikation

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