
Siezen? Duzen? Worauf es bei deiner Unternehmenskommunikation wirklich ankommt
Sollen wir unsere Dialoggruppen online duzen oder siezen? Diese Frage ist in meiner Arbeit ein absoluter Dauerbrenner. An der einen oder anderen Stelle hattest sicherlich auch du schon einmal mit dieser Entscheidung zu tun. Gibt es auf diese Frage eine allgemein gültige Antwort? Ja! Ob du deine Zielgruppe siezt oder duzt kannst du sehr einfach aus deinem Kommunikationskonzept ablesen! Diese Antwort hilft dir nicht weiter? Dann lass uns einen Blick auf das Sie-Du-Problem werfen.
Die zwei Wahrheiten unserer Welten
Lass mich dir zu Beginn eine kurze Geschichte aus meinem Alltag erzählen: Am Wifi Wien bin ich nicht nur als Trainerin tätig, ich belegen auch immer wieder selbst Kurse. So war es auch diesmal. Im Seminarraum angekommen, empfing mich wie so oft ein Schreibblock, Kugelschreiber und ein Namenskärtchen. Wenn wir schon zwei Tage miteinander verbringen dürfen, dann wollen wir natürlich auch wissen, mit wem wir es zu tun haben. Ohne viel darüber nachzudenken, schrieb ich mit Schönschreibschrift meinen Vornamen auf das Kärtchen. Da stand es nun: Ivana.
Als der Seminarleiter das sah und seine Nase rümpfte, holte er schließlich tief Luft und meinte: “Da ich gerade sehe, dass Frau Ivana uns sofort das Du anbietet, möchte ich nur kurz anmerken, dass ich ein Seminar über zwei Tage auch sehr gut per Sie halten kann.” Daraufhin schaute ich ihn eine Sekunde lang an, nahm mein Kärtchen und schrieb auf die Rückseite meinen Nachnamen. “Auch in Ordnung”, dachte ich mir, “ich komme auch mit meinem Familiennamen sehr gut klar.”
Ich möchte hier explizit festhalten, dass ich den Kursleiter als sehr qualifiziert und durchaus sympathisch empfand. An seiner Person kann ich nichts finden, was zu kritisieren wäre. Er hatte einen eher kühlen Erstauftritt, schaffte es aber sein Wissen und seine Persönlichkeit gut und positiv rüberzubringen. Er war ein etwas älteres Semester, insofern konnte ich seinen Kommentar zu meinem Vornamen auch teilweise nachvollziehen. Dennoch ist anscheinend etwas falsch gelaufen – aber was?
Eines ist sofort klar:
- Meine Einstellung stimmte mit jener des Kursleiters nicht überein.
- Ich bin mit einer falschen Annahme in den Kurs gestartet.
- Ich habe mich den Richtlinien des Kursleiters nachträglich angepasst.
Meine Wahrheit war eben nicht seine Wahrheit. Punkt.
Sie oder Du – eine Entscheidungsfrage
Als Menschen gehen wir sehr oft von der fälschlichen Annahme an, dass unsere persönliche Sicht, das Maß aller Dinge ist. Wenn uns dann aufgezeigt wird, dass das nicht der Fall ist, reagieren wir meist etwas verrblüfft. Ob wir uns daraufhin dem Standard unseres Gegenübers anpassen oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Ich habe es in dieser Situation getan, da der Kurs das Terrain des Kursleiters ist und er die Spielregeln festlegt. Wenn ich mitspielen will, macht es Sinn sich an seine Regeln zu halten.
So ähnlich ist es auch im Social Web und der digitalen Unternehmenskommunikation. Im Analyseteil unseres Konzeptes haben wir unsere Dialoggruppen und die Situation am Markt augelotet und so ein klares Bild davon bekommen, was für jene Menschen wichtig ist, die wir mit unserer Kommunikation erreichen wollen. Ob wir uns darauf aufbauend auf ein Du oder Sie festlegen, hängt aber auch von uns selbst, unserern Unternehmensprinzipien und unseren Werten ab. Wir müssen also schauen, welche Ansprache beide Seiten – sowohl Dialogpartner als auch uns selbst – glücklich macht. Einmal festgelegt, sollten wir dabei bleiben und unsere Entscheidung konsequent durchziehen.
Wir müssen schauen, ob Sie oder Du unsere Dialogpartner und uns selbst glücklich macht. #ansprache #online Share on XJa, auf unseren eigenen Kanälen (Owned Media) stellen wir die Regeln auf und können selbstbestimmt entscheiden. Besuchen wir jedoch „fremdes Terrain“, sollten wir uns immer an die Hausregeln des anderen halten. Ganz so, wie im analogen Leben auch.
In der ganzen Sache rund um das Siezen und Duzen, ist mir aber ein weiterer Punkt wichtig: Die Frage, ob der Einsatz von „Sie“ tatsächlich etwas mit Höflichkeit und Respekt zu tun hat.
Hat das Sie wirklich mit Respekt und Höflichkeit zu tun?
Wir leben, das wage ich so in den Raum zu stellen, in einer Gesellschaft, wo Titel hochgehalten werden, wo das Siezen zum guten Ton gehört und wo Zurückhaltung und eine gewisse Distanz zu neuen Kontakten als gut und richtig empfunden wird – zumindest hier in Österreich. Dem gegenüber schwappt aus Übersee eine Welle des “Du-ismus” zu uns herüber, der besonders von den jüngeren Generationen aufgegriffen wird. Auch in der mir bekannten Agenturszene ist das Du sehr weit verbreitet und fühlt sich (zumindest für mich) viel natürlicher an, als das alteingesessene Sie. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt und meiner Meinung nach auch nicht die richtige Frage. Die Frage ist eher: Macht es einen wirklichen Unterschied, ob man jemanden mit Du oder Sie anspricht?
Für mich persönlich gilt:
- Im Englischen gibt es die Unterscheidung zwischen Du und Sie nicht und mir scheint als hätte das keine negativen Auswirkungen auf irgendeine Sphäre des privaten und/oder beruflichen Lebens.
- Bezug nehmend auf Höflichkeit und Respekt seinem Dialogpartner gegenüber, kann ich keine direkte Verbindung zur Wahl der Ansprache feststellen. Anders ausgedrückt, für mich hat die Verwendung des Sie als Anredeform absolut nichts mit der Menge an Respekt zu tun, die ich meinem Gesprächspartner entgegenbringe.
Das Sie sagt nichts über den Respekt aus, den ich dir entgegenbringe. #ansprache #socialweb #bloggen Share on X
Ein Beispiel gefällig? Wenn sich zwei Autofahrer in der Wiener Innenstadt in die Haare bekommen und einer dem anderen “Sie dep*** A*****!” entgegenschreien, hat das absolut nichts mit Respekt zu tun. Den haben Sie voreinander eindeutig nicht, auch wenn sie sich siezen. Wenn ich meinem Sohn hingegen sage “Ich verstehe, dass du das nicht willst, aber leider müssen wir jetzt trotzdem zum Zahnarzt”, dann zeugt das von Respekt seinem Standpunkt gegenüber, auch wenn ich ihm nicht nachgeben kann. Das Du oder Sie sagt also – und davon bin ich absolut überzeugt – nichts über einen respektvollen und höflichen Umgang aus.
Beziehungen aufbauen und Nähe zulassen
Womit das Sie bzw. Du aber sehr wohl zu tun haben, ist die Bereitschaft ein gewisses Ausmaß an Nähe zuzulassen. Dass ich nicht jeden auf der Straße oder etwa bei Amtswegen mit Du anspreche – und auch nicht ansprechen will – hat damit zu tun, dass ich mit diesen Personen keinen längeren und näheren Kontakt suche. Wir werden uns wahrscheinlich ohnehin nur dieses eine Mal über den Weg laufen.
Du oder Sie ist eine Frage von Nähe und Relevanz. #socialweb #bloggen #ansprache Share on X
Wenn ich meinem Kursleiter und den anderen Teilnehmern aus dem Seminar das Du anbiete, dann hat das einen guten Grund: Ich möchte eine Beziehung aufbauen, die auf Nähe und Vertrauen basiert – eine Umgebung, die dem Lernen förderlich ist. Dass mein Du ein höfliches und respektvolles gewesen wäre, steht außer Frage.
Als mein Kursleiter das Du ablehnte, war ich kurzzeitig irritiert. Setzt er das Sie tatsächlich mit Respekt und Höflichkeit gleich? Will er keine Beziehung zu seinen “Schülern” aufbauen? Oder sträubt er sich einfach gegen den Du-ismus, der um sich greift? Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es auch eine Mischung von mehreren Faktoren.
Ich konnte mit seiner Entscheidung, den Kurs mit Sie zu leiten, gut leben und das habe ich ihm auch klar gezeigt: Ich habe seinen Wunsch kommentarlos respektiert – wie ich finde, ebenfalls ein Zeichen von Respekt und Höflichkeit. Wie siehst du das?
Wenn es also um die Frage geht, ob du deine Dialoggruppe online mit Sie oder Du ansprichst, dann solltest du erstens deine zukünftigen Gesprächspartner und ihre Vorlieben genau kennen und dir zweitens überlegen, wie viel Nähe du zu diesen Personen tatsächlich bereit bist aufzubauen. Ein Du ist immer sehr viel näher, als ein Sie. Hier gibt es leider keine pauschal richtige oder falsche Antwort. Entscheide selbst und bleibe deiner Entscheidung treu!
[Dieser Beitrag erschien erstmals am 5. Oktober 2014 und wurde grundlegend überarbeitet.]
Peter
Ich bin auch Trainer beim WIFI Wien (Fotografie) und duze meine Teilnehmer aus oben genannten Gründen immer. Es gibt da aber keine Richtlinie von Institut. Im letzten Kurs hat mich eine deutlich jüngere Teilnehmerin jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass laut Benimmregel IMMER die Frau das Du-Wort anbieten muss und niemals der Mann – egal wieviel Jahre er älter ist. Das war keinesfalls beleidigt gemeint (wir sind per Du 🙂 und vielleicht stimmt die Regel auch gar nicht, aber eventuell hatte dein Trainer ein ähnliches Erlebnis und möchte der Diskussion mit dem strikten „Sie“ aus dem Weg gehen?
LG, Peter
P.S.: Du schreibst du hast „seinen Wunsch kommentarlos akzeptiert“. Naja… der ausführliche Blogeintrag sagt was anderes. 😉
Ivana
Hallo Peter,
danke für die Info, das hätte ich jetzt auch nicht gewusst, dass die Frau das Du anbietet – da eröffnen sich ganz neue Welten. 😉
Bzgl. des kommentarlosen Akzeptierens: Das stimmt, ich habe es im Seminar einfach sacken lassen, natürlich hat es aber innerlich bei mir weitergebrodelt. Insofern hast du Recht, dieser Beitrag ist quasi die Ausarbeitung dessen, was ich ihm hätte sagen können.
Liebe Grüße
Ivana
Robert Nagel
„Zumindest hier in Österreich.“ – das, liebe Ivana, halte ich bei deinem durchdachten Artikel für einen Schlüsselsatz. Ich hoffe, ich begebe mich jetzt nicht auf allzu dünnes Eis, aber es scheint doch eine kulturelle und konstante (also k.u.k.-) Eigenheit bei euch zu sein, dass so großer Wert auf Titel, Status und dergleichen gelegt wird – dass etwa auch „niedere“ akademische Titel wie ein Magister an Klingelschilder geschrieben, auf Briefköpfe gedruckt und bisweilen wohl sogar in der Anrede geführt werden.
Hier in good old Germany ist die Etikette zwar bei Geschäftskontakten auch noch etwas strenger – aber das weicht doch zunehmend auf. In Berlin kommt sich nachgerade albern vor, wenn man Menschen unter vierzig „plötzlich“ siezen soll, was widerstrebend und auch nur abgekürzt („Hamse mal“, „Könnse mal“) gemacht wird. Es gibt noch weitere Zwischenformen wie das Hamburger Sie („Karsten, haben Sie schon…“), das Berliner Er („Kann er mal bitte vortreten…“) oder das Münchner Du („Müller, geh amal auf’d Seitn!“).
Vielleicht wird’s ja Zeit für eine Anredeform made in Austria, wie das „Wiener Wir“?
LG
Robert
Ivana
Lieber Robert, absolut! 😀
Ich führe ja meinen Mag.-Titel auch, weil mir das so richtig und wichtig erschien, als ich mit meinem Studium fertig war. Teilweise hat es auch etwas mit meinen Migrationshintergrund zu tun. Eine längere Geschichte, die hier zu weit führen würde…
Inzwischen finde ich es lustig, wenn mich jemand mit Frau Mag. Ivana Baric-Gaspar anredet. Da erwidere ich meist: „Ivana genügt.“ Die Blicke, die ich ernte, sind wundervoll! Bei Kollegen aus Deutschland ist das immer total locker. Das liebe ich.
Die Entscheidung ob Sie oder Du ist also definitiv auch eine kulturelle!
Liebe Grüße
Ivana
egal
Ich will nicht von jedem geduzt werden
Ivana
Das ist voll ok. Dann bist du nicht die Zielgruppe der „Duzer“. 🙂